Zeit22 by Lenk

Zeit22 by Lenk

Autor:Lenk
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2014-05-14T16:00:00+00:00


Nun saß Julian höchst unglücklich in einem großen Wandschrank, in den er in einem der seltenen unbeobachteten Momente geschlüpft war. Er dachte gar nicht daran, sich untersuchen zu lassen. Von den Ärzten dieser Zeit hatte er nicht unbedingt die beste Meinung.

Schon hörte er aufgeregte Stimmen.

Die eine Stimme gehörte dem Diener, der so entsetzlich schielte. „Wo ist er nur, großer Gott?“, fragte er.

Julian hörte, wie die Diener ihn suchten. Ihn überkam eine diebische Freude. Um Luft zu bekommen, hatte er die Tür des Schranks einen Spalt offen gelassen. Durch diesen Spalt sah er jetzt, wie sich die beiden Diener etwas ratlos gegenüberstanden.

„Hoffentlich ist er nicht in das Labyrinth gelaufen“, sagte der Schielende. „So durcheinander, wie Seine Majestät ist, findet er da niemals wieder raus.“

Der andere Diener, ein kleiner Dicker, grinste schief. „Das würde dem einen oder anderen doch ganz gut in den Kram passen.“

„Sei vorsichtig, was du sagst“, raunte der Schielende. „Aber Recht hast du schon. Vielleicht erklären sie Eduard ja für verrückt. Dann muss er abdanken!“

„Auch das würde einigen hier gut gefallen“, erwiderte der Dicke.

Julian schluckte schwer. Das waren ja nette Neuigkeiten! Schlagartig wurde ihm bewusst, dass er womöglich in Gefahr schwebte. Vielleicht hatte irgendjemand gar kein Interesse daran, den großen Irrtum aufzuklären. Dann konnte man ihn mit Fug und Recht als unzurechnungsfähig bezeichnen und absetzen! Aber wer war dieser Jemand?

„Ist ja auch ganz schön verrückt, dass der König immer wieder erzählt, nicht der König zu sein“, fuhr der Schielende fort.

„Seymour schien sich aber auch nicht ganz sicher zu sein, ob er es wirklich ist“, gab der Dicke zu bedenken.

Der Schielende winkte ab. „Unsinn, das bildest du dir nur ein. Ich habe Cranmer sagen hören, dass eine Verwechslung völlig ausgeschlossen ist. Und wenn der König wirklich einen Doppelgänger haben sollte, wie hätte dieser in die königlichen Kleider schlüpfen können?“

Der andere Diener machte ein nachdenkliches Gesicht. „Stimmt, da hast du Recht. Aber jetzt komm, wir sollten weiter nach diesem Verrückten suchen.“



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